Das Prinzip Menschlichkeit: Warum wir von Natur aus kooperieren

Darwins Lehre von der natürlichen Auslese und dem Überleben des Stärkeren ist heute ethisch und auch wissenschaftlich nicht mehr tragbar, weil die Neurobiologie nachgewiesen hat, dass der Mensch von Natur aus ein kooperatives Wesen ist.

Werte wie Zusammenarbeit, Mitgefühl und Aufopferungsbereitschaft nehmen bei Darwins Lehre 'Von der Abstammung der Menschen' lediglich eine untergeordnete Rolle ein.

Darwins Modell übersieht die grundlegende Bedeutung des am Anfang aller Biologie stehenden Phänomens der Kooperation.

Die Soziobiologie wählte einen noch drastischeren Weg als Darwin, indem sie ausschließlich Gene für biologische und gesellschaftliche Entwicklungen verantwortlich machten. Diese seien stets kampfbereit, um konkurrierende Gene zu vertreiben.

Wir haben heute die Möglichkeit, uns aus dem Albtraum des Darwinismus und der Soziobiologie zu befreien. Die Alternative heißt Kooperation. Das Ergebnis gelingender Kooperation hieße: Menschlichkeit.

Das Bestreben der Menschen liegt in der Sehnsucht nach guten Beziehungen und ergibt sich aus ihren Motivationssystemen. Menschliches Handeln wird von Motivationssystemen, auch 'Antriebsaggregate' genannt, geleitet.  Ihr Ziel ist es, Anerkennung zu erhalten und zu verteilen.

Es gibt drei biologische Stoffe, die unser Handeln lenken. Der Nervenstoff Dopamin, der ein Wohlgefühl erzeugt und unsere Konzentration verstärkt, endogene Opioide, die u.a. Schmerzen bekämpfen und Oxytozin, die unsere menschlichen Bindungen verstärken.

Die Angst sozial isoliert zu sein, ist bei Menschen stärker ausgeprägt, als der natürliche Selbsterhaltungstrieb.

Die Rezeptoren unserer Motivationssysteme werden bereits im Kindesalter aktiviert. Sie müssen jedoch fortlaufend durch gelingende Beziehungen gepflegt werden.

Bleiben während der Kindheit und Jugend gute Beziehungserfahrungen aus, hat dies fatale Folgen für die spätere Beziehungsfähigkeit der betroffenen Individuen.

Erleben wir in unserer Kindheit nicht ausreichend positive Sozialkontakte, so wird unser späteres Sozialverhalten darunter leiden.

Die stärkste und beste Droge für den Menschen ist der andere Mensch.

Depressionen können entstehen, wenn uns langfristige Beziehungskrisen belasten oder Trauer unverarbeitet bleibt.

Frühe Erfahrungen von mangelnder Fürsorge hinterlassen eine Art biologischen Fingerabdruck, indem sie das Muster verändern, nach dem Gene in späterer Zeit auf Umweltreize reagieren.

Körperliche und soziale Schmerzen rufen neurobiologisch gesehen, die gleichen Reaktionen hervor.

Aggressivität wird gerade dann entflammt, wenn Beziehungen zu verteidigen sind. Weitere Auslöser können Ausgrenzungserfahrungen sein sowie das Gefühl nicht verstanden zu werden.

Intakte soziale Netzwerke schützen die Gesundheit und erhöhen die Lebenserwartung. Ungewollte Einsamkeit hingegen macht krank.

Fühlen wir uns ausgegrenzt und empfinden einen dadurch Schmerz, so werden Stresshormone ausgeschüttet, die unser Angriffsverhalten beeinflussen.

Der Trieb zur Gewalttätigkeit wird keineswegs genetisch weitergegeben, sondern entsteht durch negative Erfahrungen vor allem in der Kindheit.

'Wählt Ehepartner, die euch ebenbürtig sind'. So könnte der Leitspruch von Charles Darwin gelautet haben. Er sprach sich dafür aus, die Partnerwahl selektierend nach körperlichen und geistigen Eigenschaften vorzunehmen.

In seiner Theorie spricht Darwin von einem allgegenwärtigen Rassenkampf, der Vorteile bringt, da die mutigeren und intelligenten am Ende überleben.

Die Eugenik fußt ebenfalls auf der darwinistischen Theorie, aus der menschenverachtende Ideologien entstanden sind.

Medizinische Fortschritte und soziale Erfolge waren Darwin zuwider, da sie seine Ansichten widerlegten.

Aufgrund der durch ihn verursachten Einengung des Denkens ist der Darwinismus mittlerweile zu einer Art Alptraum geworden, von dem wir uns befreien sollten.

In der älteren Vergangenheit verstanden sich manche bekannte Ärzte und Forscher als Retter und Bewahrer der 'Rassenreinheit'.

Menschen mit dunkler Hautfarbe aus dem kolonialen Deutsch-Südwestafrika auszunutzen und sie zudem auch noch am Ende dem 'Kampf ums Überleben' zu überlassen, war die skrupellose Forderung des Anatomieprofessors Eugen Fischer.

Eines der größten Irrtümer grausamer Gedankengüter war die Übertragung von wirtschaftlichen Mechanismen auf die Natur.

Das biologische System der Menschen beruht genauso wenig auf Konkurrenzgedanken, wie auf wettbewerbsartigen Verhaltensstrukturen und Systemkämpfen.

Kooperative Strukturen ermöglichen erst die Entstehung von Leben. Die DNA kann sich z.B. nur unter Einwirkung von Helfermolekülen verdoppeln. Auch hier ist Zusammenarbeit der DNA entscheidend für das Überleben der Zellen.

Was das Ziel der Evolution der Natur ist, bleibt nach dem bisherigen Stand der Forschung ein ungelüftetes Geheimnis.

Der Ursprung des Lebens, so Richard Dawkins, sei ein einziges Gen, das sich aus eigner Kraft heraus verdoppelt habe, um die Herrschaft in der Biosphäre zu erlangen. Dieses eigennützige Verhalten übertrug er entsprechend auf Lebewesen.

Nichts spricht dafür, dass Gene 'kämpfen', nichts deutet darauf hin, dass sie uns zu Kampfmaschinen machen.

Dawkins setzte sich gezielt für eine Abschaffung staatlicher Sozialmaßnahmen ein. Seine unsinnige Forderung betraf Menschen, die nicht dazu in der Lage waren, ihre Kinder zu ernähren. Demnach sollte eine Fortpflanzung unmäßiger Gene verhindert werden.

Der menschliche Organismus bewirkt das Miteinander von Genen, die ständig aufeinander abgestimmt sind. Im Zusammenspiel mit der Umwelt bilden diese Gene ein helfendes Netzwerk.

Gene sind weder Diktatoren noch autistische Eigenbrötler. Gene empfangen Signale und reagieren auf sie, sie kommunizieren also mit der Umwelt.

Die Erfahrungen mit der Umwelt können die Funktionsweise der Gene langfristig beeinflussen. Dies kann positive und negative Auswirkungen haben.

Durch negative Umwelteinflüsse kann es zu einer Vielzahl von Erkrankungen kommen. Positive Erfahrungen mit dem Umfeld können uns ebenso zu einer gesunden und ausgeglichenen Persönlichkeit reifen lassen.

Menschen sind von Natur aus zur Kooperation neigende Wesen.

Spieltheoretische Experimente haben gezeigt, dass kooperative Strategien langfristig am erfolgreichsten sind.

Das soziologisch etablierte 'Gefangenen-Dilemma', deren Spielteilnehmern eine virtuelle Gefängnisstrafe droht, unterstreicht den Drang der Menschen nach Zusammenhalt. Erkenntnisse zeigen, dass Spielteilnehmer sich öfter für ein Miteinander entscheiden.

Menschen handeln nicht immer nur vorteilsorientiert. Vielmehr werden zum Teil sogar massive Nachteile hingenommen, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen.

Das Gelingen zwischenmenschlicher Beziehungen fußt darauf, wie wir einander sehen und gesehen werden, Anteilnahme am anderen, gemeinsames zielgerichtetes Handeln, auf die Gefühle seiner Mitmenschen einzugehen, sich ernsthaft mit dem Wesen des anderen zu beschäftigen.

Ein positives Miteinander kann nur gewährleistet werden, wenn ein ständiges Geben und Nehmen zur Tagesordnung gehört.

Eine auf Kooperation basierende Gesellschaft schützt die Freiheit des Einzelnen, fördert Kreativität, investiert in Bildung und unterstützt die Schwachen.

Kulturelle Kreativität ist keineswegs ein Luxusphänomen, sondern Ausdruck der Suche nach dem, worauf wir unserem tiefsten biologischen Wesen nach ausgerichtet sind.

Vertraute und respektvolle Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern und ein angenehmes Lernklima machen eine gerechte Bildung aus.

'Sinnvoll' aus dem Blickwinkel der Motivation ist ein wirtschaftliches Unternehmen dann, wenn es letzten Endes der Gesellschaft nützenden, d.h. kooperativen Zielen dient.

Ausgeprägte und intensive Bindungen zwischen Eltern und Kindern sind der Grundstein für ein gesundes Sozialverhalten. Verhaltensweisen, wie rücksichtsvoll miteinander umzugehen und tolerant zu sein, werden aus der Erziehung gewonnen.

In der Medizin sollte wieder mehr auf Psychosomatik gesetzt werden. Aktuelle Ergebnisse der Neurobiologie liefern Befunde darüber, dass Signale aus dem Gehirn dafür verantwortlich sind, inwiefern Schmerzen entstehen oder gelindert werden.