Andernorts macht sich der Klimawandel weniger bemerkbar. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht stattfindet. Er verstärkt viele Effekte gleichzeitig, daran gibt es nichts zu rütteln. Es ist nur so, dass sich diese Effekte gegenseitig aufheben können.

Das Wetter spielt in weiten Teilen der Erde immer häufiger verrückt. Berichte über extreme Wetterereignisse wie Wirbelstürme, Dürren oder sintflutartige Regenfälle häufen sich.

Selbst im sonst von Naturkatastrophen verschonten Deutschland macht man sich nach der gigantischen Hitzewelle 2018 Sorgen ums Klima und wie wir Menschen es beeinflussen. Die Klimaskeptiker aber halten munter dagegen: Niemand könne beweisen, dass wir Menschen daran schuld seien.

Doch das ist falsch. Die neue Wissenschaft der Attributions- oder Zuordnungsforschung untersucht anhand großer Datenmengen und mittels Simulationen, wie sehr der menschengemachte CO2-Ausstoß das Wetter beeinflusst.

Solche Modelle könnten den Beitrag des Menschen bereits in naher Zukunft präzise auf das Grad Erderwärmung genau beziffern.

913. So lautete die Patentnummer, unter der James Watt im Jahr 1776 seine berühmte Dampfmaschine registrierte. Seine Erfindung war der Startschuss für die industrielle Revolution und den massiven menschengemachten CO2-Ausstoß.

Seitdem wurden mehr durch die Verbrennung fossiler Ressourcen angetriebene Maschinen erfunden, und mittlerweile hat sich die Erdatmosphäre kontinuierlich erwärmt – im Jahr 2019 um etwa ein Grad Celsius. Das klingt zwar nach wenig, hat aber gewaltige Folgen.

So begünstigt die Erderwärmung die Entstehung extremer Niederschläge. Wärmere Luft hat eine geringere Dichte und kann folglich mehr Wasserdampf speichern. Dieser Wasserdampf gelangt in Form von Regen auf die Erde zurück. Das ist auch der Grund, warum Regenfälle im Sommer viel stärker sind als im Winter.

Wer in Deutschland lebt, kennt den Unterschied zwischen den heftigen Hitzegewittern im Juli und dem tagelangen Nieselregen im März.

Dieser Vorgang wird durch den sogenannten dynamischen Effekt verstärkt. Dabei verändert die höhere Konzentration an CO2, Methan und Wasserdampf in der Atmosphäre die Luftzirkulation, was zu plötzlichen Wetterextremen an Orten in gemäßigten Klimazonen führen kann.

Tiefdruckgebiete mit viel Regenwasser ziehen zum Beispiel immer häufiger vom Meer aus in Gebiete, in die sie nie zuvor gelangt sind.

In Südengland kam es im Winter 2013 zu einer Kombination von warmem Wetter und dem dynamischen Effekt. Die warme Luft über dem Atlantik führte zur Bildung großer Tiefdruckgebiete, die durch die veränderte Luftzirkulation in Richtung Südinsel gedrückt wurden.

Am Ende wurde der Januar 2014 zum nassesten Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Dieselbe Kombination verursacht aber ebenso das entgegengesetzte Extrem. Durch die Veränderung der globalen Zirkulation bewegt sich die Luft an manchen Orten immer weniger.

Die Folgen sind Dürre und Trockenheit, da keine wasserreichen Tiefdruckgebiete mehr herangetragen werden. Und wo der Boden ohnehin schon trocken ist, können sich auch keine Wolken für Niederschläge bilden. Eine solche Desertifikation ist seit den 1960er-Jahren im Südwesten Australiens zu beobachten.

Ein Grad mehr Erderwärmung bedeutet außerdem, dass die Temperatur der Ozeane steigt. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit für Wirbelstürme, da diese ihre Energie aus erhitzten Gewässern speisen. Und wärmeres Wasser setzt mehr thermische Energie frei.

Je stärker sich die Meere rund um den Globus erwärmen, desto häufiger werden solche Stürme in Zukunft auch an Orten entstehen, die vorher noch nie welche erlebt haben.

Bei all diesen Belegen für die Erderwärmung und ihre Folgen stellt sich die Frage: Warum wird der Klimawandel eigentlich immer noch verharmlost?

Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. […] Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn es brennt.

Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute.

Wir Menschen haben die Rahmenbedingungen für unser Wetter verändert.

Eigentlich sollten wir uns dringend der Frage widmen, wie wir dem Klimawandel die Wucht nehmen. Dafür müssen wir natürlich zunächst anerkennen, dass der Klimawandel existiert und in seiner jetzigen Form so heftig ist, dass er nur von uns Menschen verursacht sein kann. Leider gibt es Zweifler, die genau das leugnen.

Eine einfache, aber tiefgreifende Erklärung dafür ist die Tendenz des menschlichen Gehirns, sich gegen unbequeme Veränderungen zu wehren. Die Abwehr von Erkenntnissen, die sich nicht in das eigene Weltbild einfügen, ist ein effektiver Mechanismus.

Das Unbewusste versucht, die eigene Identität zu schützen, ganz nach dem Motto: „Das, woran ich mein Leben lang geglaubt habe, kann nicht plötzlich falsch sein."

Der britische Psychologieprofessor Stephan Lewandowsky fand heraus, dass das insbesondere für konservative Überzeugungen gilt. In den USA zum Beispiel ist der Widerstand gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung dort am größten, wo sich die Menschen gegen Abtreibung, Waffengesetze oder Wohlfahrtsprogramme wehren.

Sie fürchten sich vor einem Sozialstaat, der frech in ihre persönliche Freiheit hineinregelt - und ihnen womöglich noch verbietet, mit ihren SUVs durch die Innenstädte zu donnern.

Die Romantisierung der individuellen Freiheit vermischt sich zudem mit der Angst vieler westlicher Industrieländer, ihre wirtschaftliche und geopolitische Vormachtstellung zu verlieren. Das gilt auch für die fossile Industrie, die um ihren Fortbestand besorgt ist. Ihre Lobby betreibt daher eine aktive Desinformation.

Ende 2018 klagte die New Yorker Generalstaatsanwältin Barbara Underwood gegen ExxonMobil, den größten börsengelisteten Ölkonzern der Welt. Sie beschuldigte den Energieriesen, seine Investoren und die Öffentlichkeit in Bezug auf die Gefahren des Klimawandels getäuscht zu haben.

Exxon hatte 22 Jahre lang Anzeigen in renommierten Medien wie der New York Times geschaltet: Darin war unter anderem von den „großen Wissenslücken“ der Klimaforschung und den „verheerenden wirtschaftlichen Folgen“ des Kyoto-Protokolls die Rede.

Gleichzeitig ließ der Konzern privat finanzierte Studien zu den Auswirkungen von Verbrennungsmotoren auf das Klima durchführen, um sich eine glaubwürdige Rolle zu sichern. Der Verdacht liegt nahe, dass sich das Unternehmen mehr um seine Position in klimapolitischen Verhandlungen sorgte als um den Klimawandel selbst.

Um zum Klimawandel echte Fakten zu schaffen und den Klimaskeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat das Team um Friederike Otto die Zuordnungswissenschaft begründet. Mit ihr können Verbindungen zwischen den extremen Wetterereignissen unserer Zeit und dem menschengemachten Klimawandel überprüft werden.

Die Zuordnungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler wurden von der New York Times bereits als „Klima-Swat-Team“ gefeiert. Aber wie genau versucht dieser junge Forschungszweig, das Klima zu retten?

Die Forscher versuchen die extremen Symptome des Klimawandels – zum Beispiel Hitzewellen, Dürren und sintflutartige Regenfälle – mit den Folgen menschlichen Handelns zu verknüpfen. 

Um die Wahrscheinlichkeit des menschlichen Faktors zu berechnen, vergleichen sie zwei Modelle: Das erste steht für die Welt, wie sie ist, mit allen tatsächlichen Wetterdaten. Das zweite Modell simuliert eine Welt ohne Klimawandel.

Diese simulierte Welt wird nach wie vor entscheidend von uns Menschen geprägt, um beide Modelle vergleichbar zu halten. In ihr hat es aber nie eine Industrielle Revolution gegeben, die auf der Verbrennung fossiler Ressourcen basiert. Es fehlen also die vom Menschen produzierten Treibhausgase.

Illustrieren wir das an einem Beispiel: Der Hurrikan Harvey ließ 2017 innerhalb von drei Tagen über 1000 Liter Regenwasser pro Quadratmeter vom Himmel stürzen. Dies verursachte gewaltige Schäden im Süden der USA und in weiten Teilen der Karibik.

Die Zuordnungswissenschaft fragte: Wie häufig und stark würde es in dieser Region regnen, wenn es die menschengemachten Treibhausgase nie gegeben hätte? Wie hoch wäre dann die Wahrscheinlichkeit, dass solche Wetterextreme entstehen?

Die Simulation rechnete den Faktor Mensch heraus und zeigte: Unser Beitrag zum natürlichen Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit, dass in diesem Teil der Welt Wetterextreme wie der Hurrikan Harvey entstehen, verdreifacht. Das ist ein enormer Anstieg.

Die Simulationen basieren auf Daten. Hierfür nutzen die Forscher zum einen die geballten Wetterdaten aus jahrzehntelangen Aufzeichnungen und zum anderen unser Wissen um die physikalischen Gesetze. Sie kennen die Kräfte, die auf ein einzelnes Molekül in der Atmosphäre wirken und können simulieren, wie es sich bewegt.

Mit solchen einfachen Modellen lässt sich die Entwicklung des Wetters erstaunlich genau vorhersagen.

Wenn wir die Erdatmosphäre in einem solchen Modell um einen Grad herunterkühlen und die Luft rechnerisch um die erhöhte Konzentration an Treibhausgasen bereinigen, können wir den Klimawandel seit der Industriellen Revolution herausrechnen.

Eine solche Simulation zeigt, wie sich das heutige Wetter ohne die Erwärmung der Ozeane und die veränderte Luftzirkulation verhalten würde.

Mit immer besseren Modellen und genaueren Methoden konnte Ottos Team seit der ersten Studie 2004 so immer mehr Extremwetterereignisse untersuchen und feststellen, wie viel Klimawandel darin steckt.

Die Klimaskeptiker trotzen der Klimaforschung oft mit folgendem Einwand: Die Wahrscheinlichkeit extremer Wetterphänomene habe sich längst nicht überall auf der Welt erhöht. Das Risiko sei mancherorts schlichtweg gleich geblieben. Die Zuordnungswissenschaft kann aber auch das erklären.

Der Klimawandel wirkt sich tatsächlich nicht überall auf der Welt gleich aus. So häufen sich einige Wetterereignisse, einige werden seltener und an manchen Orten bleibt das Wetter gleich.

Ein Phänomen, das immer öfter auftritt, sind Hitzewellen. Besonders die Junihitze 2017 brach gleich mehrere Rekorde. Zuordnungsstudien haben gezeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit dieses Hitzemonats wirklich durch den menschengemachten Klimawandel erhöht hat.

In Belgien war sie den Berechnungen zufolge mindestens um das Vierfache gestiegen. Hier werden die örtlichen Hitzerekorde künftig nicht mehr alle vierzig Jahre, sondern alle zehn Jahre erwartet. In Spanien hat sich die Wahrscheinlichkeit einer lokalen Rekordhitze sogar verzehnfacht, von alle 800 auf alle 80 Jahre.

Auch in Deutschland werden wir zukünftig häufiger mit Hitzewellen leben müssen.

Ein Beispiel dafür sind Dürren. Dürren entstehen durch das Zusammenspiel zweier Faktoren: Niederschlag und Verdunstung. Wenn das Wasser am Boden schneller verdunstet, als es nachregnen kann, droht eine Dürre.