Schnelles Denken, langsames Denken

Die erste Reaktion, wenn Sie eine Frau mit zusammengezogenen Brauen, Schlitzaugen und geöffnetem Mund sehen, wäre wahrscheinlich „Wow, diese Frau sieht wütend aus“.

Dies war ein Beispiel für schnelles Denken. Unser Gehirn reagiert automatisch und hat die Situation bzw. die Person, auf Erfahrungen basierend, in ein Schema eingeordnet.

Versuchen Sie jetzt bitte, folgende Aufgabe zu lösen: 18 mal 21. Nun setzt das langsame Denken ein, indem Sie bewusst über eine Lösung nachdenken.

„System 1“ und „System 2“ bezeichnen die beiden Denkmodi in Ihrem Gehirn.

System 1 startet ganz von alleine. Hierfür benötigen Sie keinerlei Willenskraft. Es reagiert schnell und automatisch.

Zum Beispiel reagieren Sie reflexartig auf laute Geräusche oder mögliche Gefahren. Dies passiert komplett automatisiert, ohne dass Sie etwas dagegen tun können.

System 2 stellt das Gegenteil dar. Hier müssen Sie Ihre Willenskraft verwenden und sich anstrengen, um zum Beispiel ein komplexes Problem zu lösen, für eine Klausur zu lernen oder eine Bewerbung für Ihren neuen Berufswunsch zu verfassen.

Zuerst setzt System 1 ein und sammelt Informationen, unter anderem Eindrücke, Geräusche und Gefühle. Darauf reagiert es dann intuitiv.

Sobald die Lage nicht ganz klar ist, hilft System 2, um die Situation genauer zu analysieren und eine Lösung zu finden.

Unser Gehirn erledigt nur die Dinge, die absolut notwendig sind und neigt sonst eher zur Faulheit.

Somit ist System 1 das vorherrschende System, da diese Denkvorgänge mit wenig bis gar keiner Anstrengung verbunden sind.

Die Arbeitsteilung zwischen System 1 und System 2 ist höchst effizient: Sie minimiert den Aufwand und optimiert die Leistung.

Wenn System 2 aktiv arbeitet, kann man Ihnen das körperlich ansehen.

System 1 kann absolut frei arbeiten, sobald System 2 nur noch phlegmatisch reagiert.

Häufig ist dies die Ursache für Fehlentscheidungen.

Man spricht von der sogenannten „kognitiven Leichtigkeit“, sobald alles rund läuft und wir quasi System 2 nicht mehr einsetzen müssen.

Dies tritt ein, wenn wir die gleichen Dinge ein weiteres Mal machen, seien es zum Beispiel alltägliche Dinge, wie die Spülmaschine ausräumen oder Auto fahren.

Unsere Laune hebt sich, wenn die kognitive Leichtigkeit auf einem hohen Level ist.

Häufig kommt es zu „kognitiven Verzerrungen“, weil die von System 1 aufgenommen Reize direkt auf System 2 einwirken können.

Man spricht auch vom sogenannten Priming.

So wird System 2 ständig überrumpelt, da es vom Priming stark beeinflusst wird.

Ein gutes Beispiel ist der Kaffeeautomat im Büro, neben dem eine Kasse steht.

In der ersten Woche tun wenige Leute Geld in die Kasse, weil daneben „nur“ ein Bild mit Blumen hängt.

Doch in der zweiten Woche setzt der Priming-Effekt ein und die Spenden gehen nach oben. Jetzt hängt ein Bild mit zwei Augen neben der Kaffeemaschine.

Somit glauben die meisten Leute unterbewusst, dass sie jemand beobachtet und neigen dann dazu, lieber ehrlich zu sein und etwas Geld in die Kasse zu legen.

Die Sinngebungsmaschinerie von System 1 lässt uns die Welt geordneter, einfacher, vorhersagbarer und kohärenter sehen, als sie es tatsächlich ist.

Das System 2 wird auch noch durch den sogenannten Halo-Effekt ausgetrickst, welcher das Verhalten anderer Personen, auf der Basis von Vorurteilen, bewertet.

Obwohl sich Ihr Gehirn natürlich auch für die Fakten interessiert, fällt es Ihm schwer, sich nicht von den Vorurteilen beeinflussen zu lassen.

Deswegen versucht das Gehirn immer Ihre Erwartungen zu erfüllen und vernachlässigt oder verschönert die klaren Tatsachen immer ein wenig.

Wenn Sie zum Beispiel den Präsidenten von Amerika sympathisch finden, werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch seine Politik für richtig anerkennen.

Häufig neigen wir Menschen auch zur Heuristik. Das heißt, dass wir schwierige Fragen durch leichtere ersetzen, um so das Problem näherungsweise zu lösen.

Dies ist auch der Grund, warum viele kognitive Verzerrungen durch die Heuristik ausgelöst werden.

Mal angenommen, jemand zeigt Ihnen ein Bild von einem Mann und fragt Sie, wie erfolgreich er in der Wirtschaft sein wird.

Natürlich könnten Sie durch angemessene Recherche auf ein fundiertes Ergebnis kommen. Aber da System 1 faul ist, wird diese Frage einfach etwas verändert. „Sieht dieser Mann so aus, als würde er es in der Wirtschaft zu Etwas bringen?“

Diese Frage lässt sich in kurzer Zeit intuitiv beantworten, ohne große Anstrengung.

Hier ein paar typische Fehler, die durch Heuristik ausgelöst wurden:

Wir neigen dazu, dem Gesetz der kleinen Zahl Glauben zu schenken.

Nachrichten basieren oft auf einer viel zu kleinen Stichprobe, um zuverlässig sein zu können – dennoch glauben wir alle Informationen, ohne sie zu hinterfragen.

Bei einer Rabattaktion, wo jeder Kunde nur maximal 10 Einheiten kaufen darf, neigen die Menschen dazu, mehr zu kaufen, als bei einer unlimitierten Verkaufsaktion.

Hierbei spricht man vom sogenannten Anker-Effekt. Wir beziehen unsere Antwort auf einen vorgegebenen Wert, welcher z.B. als Zahl in der Frage enthalten war.

Wenn Ihre zukünftigen Entscheidungen von einem punktuellen Ereignis beeinflusst werden, welches Ihre volle Aufmerksamkeit beansprucht, spricht man von Verfügbarkeits-Heuristiken.

Zum Beispiel würden Sie eher den Zug als das Flugzeug nehmen, wenn Sie vor kurzem in den Nachrichten einen Flugzeugabsturz gesehen haben.

Obwohl sich das Risiko eines generellen Absturzes nicht erhöht hat, ist es Ihnen lieber, ein alternatives Fortbewegungsmittel zu nehmen.

Dieses Bild aus den Nachrichten ist im System 1 so präsent, sodass System 2 relativ stark davon beeinflusst wird.

Man spricht von der Repräsentativität, wenn wir sehr schnell Urteile über eine Person oder eine Situation fällen, obwohl wir nur wenige Eigenschaften kennen.

Wenn Sie Ihren Kollegen im Büro besuchen und Sie von einer netten Sekretärin in ein prunkvolles Büro geführt werden, gehen Sie davon aus, dass es dem Unternehmen sehr gut geht.

Dies kann wahr sein, trifft aber selbstverständlich nicht immer zu.

Häufig geben die Menschen sogar den unwahrscheinlicheren Ereignissen den Vortritt.

Mal angenommen, Sie sehen eine Dame, die in der New Yorker U-Bahn die New York Times liest. Würden Sie eher sagen, Sie hat einen Doktortitel oder nicht mal den Collegeabschluss?

Obwohl es in der New Yorker U-Bahn viel mehr Menschen gibt, die nicht mal einen Collegeabschluss haben, neigen Sie dazu, der Dame einen Doktortitel zuzugestehen.

Die Selbstüberschätzung ist ein weiterer Grund, warum wir so häufig zu kognitiven Verzerrungen tendieren.

Statische Zusammenhänge spielen eine deutlich geringere Rolle, als die Dinge, welche wir in der Vergangenheit über die Welt gelernt haben.

Wir neigen dazu, unser Wissen über die Welt maßlos zu überschätzen und ignorieren gleichzeitig die Rolle des Zufalls.

Zum Beispiel kann es sein, dass es nur reiner Zufall war, dass wir in einer Situation sehr erfolgreich agiert haben.

Dennoch behaupten wir, dass der Erfolg unserer Kompetenz zu verdanken war. Somit versuchen wir, die Vergangenheit schön zu reden.

An sich ist Optimismus eine sehr gute Eigenschaft. Doch nicht allzu selten sind wir zu optimistisch und verzerren die Realität.

Dies führt dazu, dass die Menschen die Zukunft verschönern und dadurch größere Risiken eingehen. Die Börse ist ein gutes Beispiel dafür.

In den Wirtschaftswissenschaften wird oft davon gesprochen, dass der Mensch ein rationales Wesen ist, welches immer die Nutzenmaximierung anstrebt.

In der Realität ist dies oft nicht der Fall, gerade wenn es um Verluste bzw. Gewinne geht.

Dann entscheidet sich der Mensch meistens für die Gewinne, auch wenn diese keine Nutzensteigerung mit sich bringen.

Wird jemandem ein neuer Job angeboten, in dem er zwar weniger verdient, aber dafür mehr Urlaub bekommt, entscheidet er sich meistens dagegen.

Eine Gehaltskürzung würde einen Verlust darstellen, wodurch derjenige sich abgewertet fühlen bzw. einen finanziellen Rückschritt durchleben würde.

Der sogenannte „Endowment-Effekt“ verdeutlicht, dass das Besitztum eines Menschen sehr wertvoll ist und es ihm schwer fällt, ihn abzugeben.

Bietet man Studenten an, bei einem Münzwurf 30$ zu gewinnen, bei einem Einsatz von 10$, lehnen die meisten ab.

Obwohl die Studenten die Möglichkeit haben, etwas Wertvolleres zu erhalten, als sie hergeben müssten, ist ihnen ihr Besitz doch zu wertvoll, um ihn zu riskieren.

Diese ganzen Beispiele spiegeln die starke Beeinflussung von System 1 auf System 2 wieder.

In unserer Gesellschaft herrscht das schnelle und assoziative Denken vor.

Dennoch kann es sich oft auch mal lohnen, Stift und Zettel zu nehmen und gründlich über eine Sache nachzudenken, bevor eine Entscheidung getroffen wird.

Seien Sie offen für Kritik. Diese hilft Ihnen, Ihre zweifelhaften Entscheidungen besser zu hinterfragen.

System 1 konstruiert eine Geschichte, und System 2 glaubt sie. Das passiert uns allen.